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Wildpferdefang
bei Dülmen Es gibt ihn noch, den Wilden Westen. Und zwar im Münsterland. In der Nähe von Dülmen lebt eine Herde von Wildpferden, deren Besitzer die Herzöge von Croy sind. Um die Kopfzahl in der Herde möglichst konstant zu halten, müssen im Frühjahr die einjährigen Hengste herausgefangen werden. Sie werden mit einem Brandzeichen versehen und versteigert. Macht Sinn, oder?
Oder vielleicht doch nicht? Pferde sind sensible Tiere und man sollte ihnen eigentlich so wenig Stress wie möglich zumuten. Doch in Dülmen lässt man alljährlich im Mai es so richtig krachen. Man hat eine Arena für 25.000 Zuschauer gebaut. Der Vorverkauf beginnt Monate im Voraus. Für die Verpflegung ist gesorgt, damit es die Zuschauer auch bei Regenwetter aushalten. Sie nehmen auch das lange Anstehen vor den nicht beleuchteten Toilettenanlagen gerne in Kauf, denn was in Dülmen geboten wird, bekommt man schließlich nicht alle Tage zu sehen. Man sollte es schlicht nicht für möglich halten, dass das, was da über Stunden abläuft, angesichts des deutschen Tierschutzgesetzes überhaupt möglich ist. Bereits bei der Ankunft kann man sich ein Bild von der Herde machen. Vor dem Gelände am Waldrand zusammengetrieben, trinken die ganz jungen Fohlen sich satt, während die Mütter die Zuschauer im Auge behalten. Ein Postkarten-Motiv.
Nachdem das Rahmenprogramm gelaufen ist, wird die Herde am Nachmittag in die Arena getrieben. Die Aufregung der Zuschauer steht der der Pferde um nichts nach. Pferdekenner erkennen anhand der Ohrenstellung und der Mimik der Pferde sofort, dass sie unter Angst und Stress stehen. Die ganz jungen Fohlen werden in dem Chaos von ihren Müttern getrennt und laufen Gefahr, von der Herde in vollem Galopp umgerannt zu werden. Stuten rufen ständig nach ihren Fohlen, die vor ihren Augen von den Männern im blauen Hemd nicht gerade zart angefasst werden. Ein Dülmener "muss einfach einmal gefangen haben", heißt es seitens des Veranstalters. Und das tut er dann auch wie am Fließband, fast drei Stunden lang. Nachdem einige Pferde von der Herde abgetrennt werden und in einem Verschlag umständlich ihr Geschlecht festgestellt wird, hängt sich ein Mann an den Hals des jungen Tieres und lässt sich praktisch von ihm in die Arena schleifen. Dann werfen sich bis zu fünf seiner Kollegen auf das Tier und ringen es zu Boden oder werfen es um. Das gefangene Pferd liegt dann über einen relativ langen Zeitraum am Boden, mit dem vollen Gewicht der Männer auf dem Körper, während umständlich ein Halfter angebracht wird.
In den meisten Fällen liegt eine Person auf dem Hals des Tieres, was die Atmung erschweren dürfte...
In dem großen Gehege am Ende der Arena, wo die Pferde, die nicht gefangen wurden, untergebracht werden, wird es zwangsläufig immer voller. In dem Gedränge kreisen die Pferde panisch umher und beißen und treten sich gegenseitig.
Die einjährigen Hengste wurden am Eingang der Arena mit dem Brandzeichen versehen, das die Veranstalter als "Gütesiegel" deklarieren. Zwar erlaubt das Tierschutzgesetz den Schenkelbrand noch, doch gibt es heute alternative Methoden zur Kennzeichnung, wie den Transponder. Es ist zugegebenermaßen schwierig, ein Pferd mit einem Transponder zu versehen, allerdings werden die Tiere in Dülmen von den Männern derart fixiert, dass sie still stehen. Manche stehen im wahrsten Sinne des Wortes "still vor Schreck", wie es auch bei Rodeopferden im Gutachten der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. über Rodeoveranstaltungen beschrieben wird.
Die Tatsache, dass die Pferde sofort ein Halfter umgelegt bekommen, ist ebenfalls bedenklich. Experten sind der Meinung, dass ein Halfter den neuen Besitzer dazu verleitet, das Pferd einfach festzubinden, anstelle sich ausführlich mit ihm zu beschäftigen. Doch in Dülmen reicht die die Zeit dafür sowieso nicht, denn die Tiere kommen sofort auf den Hänger. Es wird nicht weiter nachgefragt, in welche Hände die versteigerten Junghengste gelangen. Man hofft, dass sie nicht direkt zum Pferdemetzger gefahren werden. Bis zu € 300 können erzielt werden, wobei die Hengste begehrter sind, die sich heftig gegen die Fänger gewehrt haben. Ingesamt ist die Nachfrage eher gering, denn aufgrund ihrer Körpergröße eignen sich die Wildpferde eher als Anfängerpferd für Kinder oder als Beistellpferd.
Wollte man die Größe der Herde konstant halten, könnte man sich der Sterilisierung mithilfe von Pfeilen bedienen. Diese - reversible - Methode wird bereits seit 1988 erfolgreich im US-Staat Maryland praktiziert und versetzt die Herde nicht in Panik. Allerdings wäre diese Methode nicht so publikumswirksam und lukrativ für den Veranstalter. Es ist kaum anzunehmen, dass die Fänger eine sadistische Ader haben. Der brutale Umgang mit den Pferden scheint eher auf Fahrlässigkeit und mangelnder Kenntnis im Umgang mit Pferden zu beruhen. Vielleicht werden sie auch angewiesen, besonders "publikumswirksam" zu agieren. Die eine oder andere "Siegesgeste" war jedenfalls zu beobachten, während die Junghengste Todesangst zeigten.
Im Jahr 2006 kamen 36 Hengste unter den Hammer. Es gab also möglicherweise Verstöße gegen das Tierschutzgesetz in mindestens 36 Fällen. Eine Tradition, die übrigens gar nicht so lange besteht, rechtfertigt derart krasse Verstöße gegen das Tierschutzgesetz nicht. Es ist nicht davon auszugehen, dass bei weniger spektakulärem und qualvollem Umgang mit den Pferden die Zuschauer wegblieben. Denen schien es ohnehin eher um die eigene leibliche Versorgung zu gehen, was ständiges Kommen und Gehen verursachte. Auch die vielen Fernsehsender wären bestimmt weiterhin vor Ort. Auch sie zeigten wenig Interesse am Schicksal der Pferde, sondern interessierten sich eher für die Familiengeschichte der Herzöge von Croy. Einzige erfreuliche Ausnahme war jedoch die taz, die schrieb: "Noch tragen diese keine Namen, noch hat kein Mensch sie je berührt. Jetzt aber fallen ihnen zwei, drei Kerle um den Hals und packen sie am Schwanz. Während der Rest der Gruppe unbehelligt in den angrenzenden Korral abgeschoben wird, stürmen sie mitsamt ihren zweibeinigen Anhängseln zurück in die Arena. Sie sollen, ganz wie im Judo, zu Boden geschleudert werden, damit man ihnen dann in Ruhe den Führstrick umlegen kann. Doch die Jährlinge wehren sich aus Leibeskräften. Steigen hoch, schlagen aus, bocken, beißen und rennen um ihr Leben." (taz Nr. 7964 vom 6.5.2006, Seite 14, 187 TAZ-Bericht Stephan Schomann). Nordrhein-Westfalens Umweltminister Eckhard Uhlenberg wurde über die Vorgänge informiert und gebeten, Verbesserungen im Umgang mit den Pferden zu erreichen. Im Jahr 2005 verbot das Bundesland bereits das vom Rodeo bekannte "Wild Horse Race". Was in Dülmen passiert, steht dem "Wild Horse Race" um nichts nach. Außerdem wurde er aufgefordert, Gutachter vom "Arbeitskreis Pferde" der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. zu bestellen, da das zuständige Veterinäramt in der Sache zu sehr verwurzelt sein könnte und somit eine Unbefangenheit nicht gewährleistet wäre. Mit einem Schreiben vom 30. April 2007 teilte das Umweltministerium mit, dass Schritte eingeleitet wurden, um gemeinsam mit dem Veranstalter ein Konzept zu entwickeln, "damit die gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden können". Der Tierschutzbeirat von Nordrhein-Westfalen beschäftigt sich ebenfalls mit dem Thema. Die gemeinsame Pressemitteilung mehrerer Tierrechtsorganisationen zum Wildpferdefang finden Sie hier. Update 2010: Schauen Sie selbst, ob Sie einen Unterschied zwischen den Aufnahmen aus zwei Jahren finden. Fairerweise muss man sagen, dass es den 48 Jährlingen, die im Mai 2009 gefangen wurden, am Ende wohl etwas besser erging: Sie durften nicht mehr sofort abtransportiert werden. Das war seinerzeit eine unserer Forderungen an die Behörden und darf als Teilerfolg gewertet werden. Update 2011: Wenn auch Sie der Meinung sind, dass die Behandlung der Wildpferde bei Dülmen weiterhin verbesserungsfähig ist, schreiben Sie bitte an die folgenden Anschriften:
Aufgrund des Todes eines Fohlens beim Wildpferdefang am 25.05.2013 haben wir Strafanzeige gegen die Verantwortlichen erstattet. Das Pferdchen wurde bei der Massenpanik von einem anderen Pferd getreten. Ebenso haben wir den Umweltminister aufgefordert, das Spektakel aus Tierschutzgründen zu verbieten. Die Strafanzeige wurde leider eingestellt und der Umweltminister ließ standardisierte Antworten versenden. Alles bleibt, wie es ist. Es ist reine Glücksache, ob es wieder so ein tragisches Unglück geben wird, oder nicht. Update 2014/2015: Im Mai 2014 fand erstmalig eine Protestaktion am Gelände statt.
Die Teilnehmer verschiedener Tierrechtsorganisationen konnten die zum
Gelände fahrenden Besucher über das Tierleid informieren.
Die Medien in ganz Deutschland berichteten darüber. Sie mussten sich kritische Fragen stellen lassen, wie: Wie kommt es dazu, dass alljährlich eine fast gleiche Zahl von Junghengsten in die Versteigerung geht? Die Tierschützer vermuten, dass auf diese Zahl hin gezüchtet wird, damit immer genügend Tiere zur Versteigerung zur Verfügung stehen und somit das Einkommen gesichert ist. Wenn man der Natur tatsächlich ihren Lauf ließe, wäre die jährliche Anzahl nicht so konstant hoch und die Show kürzer, meinen sie. Wir hätten auch gerne eine Antwort darauf, wie viele Stutenfohlen jedes Jahr geboren werden und ob alle behalten werden oder separat verkauft werden. In einem Schreiben vom 15.04.2015 wurden die Veranstalter auf einen
Beitrag der ARD-Sendung "W
wie Wissen" aufmerksam gemacht, in dem eine Methode vorgestellt
wurde, mit der Elefantenkühe reversibel sterilisiert werden können.
Wir betrachten die reversible Sterilisation als probates Mittel, um
die Kopfzahl der Herde konstant zu halten. Somit könnte auf das
Massenspektakel verzichtet werden.
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